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        Markus von Schwerin in "Jazzthetik", 
          September 2004
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 
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        in die Atmosphäre
 
 Kein anderes Projekt aus der deutschen New Wave-Zeit stand für einen 
        so interdisziplinären Spaß wie Der Plan.
 
 Seine bunten Plattencover und Bühnenbilder, die kinderliedhaften 
        Melodien und Texte und die mal lieblichen, mal bedrohlichen Klänge, 
        die den ersten Billig-Synthesizern entlockt wurden, machten das Düsseldorfer 
        Performance-Trio zu einem Gesamtkunstwerk, das hierzulande bis zum heutigen 
        Tage ohne Äquivalent geblieben ist. Zwar mag die humorvolle Komponente 
        rheinischer Elektronika nach der Plan-Auflösung im Jahre 92 von Schlammpeitziger 
        und Mouse On Mars fortgeführt worden sein, doch auf textlicher und 
        visueller Ebene war es mit Fackelträgern (zu denen man höchstens 
        Andreas Dorau, Ernst Kahl und Dauerfisch zählen könnte) seither 
        eher rar gesät.
 
 So sehen es auch das Plan-Gründungsmitglied Moritz R(eichelt) und 
        der Produzent Achim Treu (alias Künstler Treu; siehe Jazzthetik #10/01), 
        die den frühen Plan als Ausgangspunkt für ihre erste Zusammenarbeit 
        gewählt haben. Das Ergebnis trägt den Namen Die Verschwörung 
        und ist sowohl, was den musikalischen Minimalismus, als auch, was die 
        Ideenwelt betrifft, den ersten Plan-Werken so verpflichtet, dass es nur 
        folgerichtig ist, hierfür den bekannten Projekt-Namen mit ins Spiel 
        zu bringen. Allerdings mit dem chronologischen Zusatz V.4.0, der anzeigt, 
        dass es sich hierbei um die vierte Besetzung der Formation handelt, die 
        1979 noch unter dem Namen Weltaufstandsplan im Rahmen eines Galerieprojekts 
        in Wuppertal ins Leben gerufen wurde.
 
 Als zweiter neuer Mann im Bunde  obgleich noch nicht am Album beteiligt 
         konnte der amerikanische Performance-Künstler JJ Jones gewonnen 
        werden, der sich in der Berliner Tiki-Szene (vor allem bei Fuzzy Love) 
        den Ruf eines perfekten Entertainers erworben hat. Seinen offiziellen 
        Einstand gab Der Plan V.4.0 vergangenen Herbst bei einem Happening im 
        Berliner Club White Trash, wo sie zu einem selbst erstellten 
        Exotica-Medley eine Choreographie mit Fackeln darboten, in deren Verlauf 
        sich die drei Konterfeis von Bush, Bohlen und Merkel in verzerrte Tiki-Masken 
        verwandeln sollten. Ein Überraschungsauftritt (Moritz R: Ich 
        war da eigentlich nur als DJ angekündigt, habe das dann aber ein 
        bisschen instrumentalisiert.), ganz in der Tradition dessen, was 
        Der Plan seinerzeit unter dem Namen Geri Reig zusammenfasste.
 
 Ein Begriff, den Moritz R von seiner ersten USA-Reise mitbrachte und der 
        dem ersten Plan-Album (erschienen 1980 auf dem eigenen Label Ata Tak) 
        auch den Titel geben sollte. In San Jose hatte R eine Künstler-Clique 
        kennen gelernt, die mit Geri Reig das musikalische Improvisieren 
        unter einfachsten Bedingungen bezeichnete. Und zwar ganz der Punk-Einsicht 
        folgend, dass dem lustvollen Dilettanten mitunter mehr Entfaltungsmöglichkeiten 
        zukommen als dem versierten Musiker, der im Zweifelsfalle doch auf bewährte 
        Muster zurückgreift. Auch die deutschsprachige Punkszene war nicht 
        frei von Stereotypen, die man so schon bei englischen Pub-Rockern gehört 
        hatte. Aufgebrochen wurde das von Bands wie S.Y.P.H. und den frühen 
        DAF, die das improvisatorische Krautrock-Element à la Can oder 
        Faust in ihre Musik mit einfließen ließen.
 
 Letzteren gehörte bis zu deren Umzug nach London der Keyboarder Kurt 
        Dahlke (alias Der Pyrolator) an, der sich dann dem Plan anschloss und 
        mit Frank Fenstermacher und Moritz R die bekannte V.3.0.-Besetzung bildete. 
        Diese verzichtete dann bei den Geri Reig-Aufnahmen ganz aufs 
        Rockinstrumentarium und brachte für ihre teils gesungen, teils instrumentalen 
        Song-Miniaturen nur den KORG MS 20 (einer der ersten erschwinglichen Synthesizer), 
        Spielzeuge und Küchenutensilien zum Einsatz. Das Ergebnis klang dann 
        zuweilen wie eine Mischung aus Kraftwerk zur Radioaktivität-Zeit 
        und den frühen Residents, die Der Plan bereits für sich entdeckte, 
        als man deren Platten noch ausschließlich im Direktversand erstehen 
        konnte.
 
 Auf der Vorderseite des Geri Reig-Plattencovers war ein von 
        Moritz R abgewandeltes Heiligengemälde (statt dem Jesuskind saß 
        ein Roboterbaby mit Atom-Schrein auf Marias Schoß), auf der Rückseite 
        sah man das Trio mit Clownsmasken - umhüllt von Badetüchern 
        in den deutschen Nationalfarben - das bekannte Bild der nichts-sehenden, 
        -sprechenden- und -hörenden Affen ins Gegenteil verkehren. Ob man 
        sich so die Gefährliche(n) Clowns des gleichnamigen Plan-Stücks 
        vorzustellen hatte, die am Straßenrand stehen und einem arglosen 
        Kurt-Martin gewisse Waren verkaufen möchten? Die knapp gehaltenen 
        Plan-Texte  meist mit verfremdeter Stimme vorgetragen, die gerne 
        mal an die Schlümpfe erinnerten (Die Welt ist schlecht) 
         waren bewusst wie Kinderlieder angelegt und klammerten ebenso wenig 
        das Unheimliche aus wie der aus dem 19.Jhdt. überlieferte, aber bisher 
        noch keinem Autoren zugeschriebene Limerick Dunkel wars, der 
        Mond schien helle (
), den nun Der Plan V.4.0 auf dem neuen 
        Album erstmals vertont hat. Dort ist Dunkel wars allerdings 
        als Bonustrack aufgeführt, da es nicht in demselben Zeitraum entstanden 
        ist wie die anderen vierzehn Stücke des Albums. Die Basis für 
        Die Verschwörung ist nämlich innerhalb zwei heißer 
        Augustwochen letzten Jahres in nächtlichen Sessions geschaffen worden, 
        die Moritz R und Künstler Treu in einer Kreuzberger Dachwohnung abhielten, 
        welche den beiden von einer verreisten Freundin zur Verfügung gestellt 
        wurde.
 
 Wir haben uns dort mit den ganzen Instrumenten der damaligen Zeit 
        eingedeckt und damit erstmal Musik gemacht. Es ging darum, diesen revolutionären 
        Geist von damals wieder zu erfühlen, als wir zum ersten Mal entdeckt 
        haben, was sich einem KORG MS-20 alles entlocken lässt , berichtet 
        Moritz R. Und Künstler Treu ergänzt:  Die Verschwörung 
        ist für Moritz und mich ja auch ein Kennenlern-Album. 
        Zuvor haben wir noch nie etwas zusammen gemacht. Wir mussten erst herausbekommen, 
        wo unsere Gemeinsamkeiten liegen, und die haben wir eben in den frühen 
        Plan-Stücken gefunden, wo es zum Teil starke Parallelen zu dem gibt, 
        was ich damals in meinem Kämmerlein  noch vor Dauerfisch  
        fabriziert habe. Und so bot es sich an, den frühen Plan als gemeinsamen 
        Ausgangspunkt zu nehmen. Obgleich sich die Wege von Moritz R und 
        Künstler Treu bereits 1999 auf einem Potsdamer Pop-Festival kreuzten, 
        wo R einige Bilder (u.a das große Plan-Bühnenbild von der 88er 
        Es ist eine seltsame und fremde Welt-Tour) ausstellte und 
        Dauerfisch ein Konzert gaben, war es letztlich Moritz Rs Umzug nach 
        Berlin Ende 2002, der bei den beiden einen regelmäßigen Gedankenaustausch 
        in Gang setzte. Allen kommunikationstechnischen Fortschritten zum Trotz 
        kann es eben manchmal doch verbindender sein, sich beim Tischtennisspiel 
        gegenseitig die Lebensgeschichten zu erzählen oder im selben Raum 
        gemeinsam Musik anzuhören.
 
 Insofern darf man die Wiederbelebung der Plan-Idee auch als Folge einer 
        lebendigen, gut funktionierenden Kommunikation zweier Brüder im Geiste 
        verstehen, die sich eben erst im neuen Jahrtausend gefunden haben. Und 
        deren Enthusiasmus für ein bestimmtes Genre ihrer musikalischen Vergangenheit 
        weiterhin intakt ist und sogar zu dem Wunsch führt, aus dieser Begeisterung 
        heraus Neues zu entwickeln. Voraussetzungen, die Moritz R im Kontakt mit 
        seinen ehemaligen Kollegen Frank Fenstermacher und Kurt Dahlke nicht mehr 
        für gegeben sah. Ich will nicht darum herum, dass die beiden 
        gerade nicht ganz so begeistert sind, dass ich das alleine mache. Doch 
        sie sind gerade auf einem ganz anderen künstlerischen Dampfer und 
        mit ihren ganzen anderen Projekten (neben der Fortführung des Ata 
        Tak-Labels u.a. eigene Veröffentlichungen als A Certain Frank und 
        Bombay 1; seit 2002 zudem Mitgliedschaft bei den reformierten Fehlfarben; 
        AdV.) bis über beide Ohren beschäftigt. Und wenn man nicht in 
        derselben Stadt lebt, ist das sowieso schwierig.
 
 Letzteres ein Erfahrungswert, den Moritz R aus der Zeit zog, als er Mitte 
        der Achtziger nach Hamburg umsiedelte und Der Plan dennoch acht Jahre 
        fortbestand. Eine Zeit, in der das Trio darum bemüht war, das Image 
        von den großen Kindern mit den bunten Bildern und den naiven 
        Liedchen oder aber auch von den einzig übrig gebliebenen 
        Vertretern einer vergangenen Epoche (Moritz R in der von ihm verfassten 
        Biographie Der Plan  Glanz und Elend der Neuen deutschen Welle, 
        1993) abzuschütteln, indem es ernstere Töne anstimmte und sich 
        verschiedenen Musikformen öffnete, wie bspw. dem 50er-Jahre-Exotica-Sound 
        eines Martin Denny (besonders auf dem Album Die Peitsche des Lebens 
        von 1990). Einflüsse, die das Spektrum der Band erweitert, aber, 
        so sieht es zumindest Moritz R heute, auch den Plan von der ursprünglichen 
        Originalität weggebracht hatten. Daher beziehen sich Achim 
        und ich nun auch ausdrücklich auf die frühen Experimente, weil 
        wir darin den eigentlichen Charakter des Plans sehen. Eine unserer Fragestellungen 
        war: gibt es die Neue Deutsche Welle als musikalische Richtung, bzw. gibt 
        es einen Sound, von dem man sagen kann: Das ist der Plan?.
 
 Hört man dann die satten Sequenzer-Klänge und den monotonen 
        Beat auf Deutschland Bleiche Mutter, dem Eingangsstück 
        des Plan V.4.0-Albums, ist man erst mal eher geneigt, an DAF in ihrer 
        zweiten (erfolgreichsten) Phase zu denken. Erst recht, wenn mit Grummelstimme 
        vorgetragene Textfragmente wie Tote Schönheit, ausgebrannt/Eingesperrt 
        in Edelstahl folgen. Hier war die Vorgabe, einfach mal das 
        totale NDW-Stück zu machen, mit all den charakteristischen Elementen, 
        die damals typisch waren. Ein bisschen wollten wir auch ausprobieren, 
        ob sich mit diesen alten Provokationen immer noch derselbe verstörende 
        Effekt erzielen lässt., erläutert Moritz R. Ein gelungener 
        Spaß, der sich aber im Vergleich zu den anderen  zu 2/3 instrumentalen 
         Stücken wie dem beschwingten Herr mit Bowler Hut, 
        dem Elektro-Dub Eisenhüttenstadt und dem lieblichen Milka-Kalb 
        doch eher schnell abnützt.
 
 Subtilere Irritationen sind da in die scheinbar unbeschwert vorgebrachte 
        Hymne auf die bevorstehende Altersarmut namens Hohe Kante 
        und in die Gestaltung des Cover-Artwork eingeflossen, die deutlich die 
        Handschrift des Malers Moritz R trägt, auch wenn bei einigen Motiven 
        (wie bspw. die Triple-Version des World Trade Centers auf der Innenseite 
        des Digi-Packs) Künstler Treu der Ideengeber war. Insofern sollte 
        auch Die Verschwörung wiederum als Gesamtkunstwerk aufgefasst 
        werden, denn allein die ganzen versteckten Symbole aus der Welt der Geheimbünde 
        auf dem Titelbild (wo Der Plan V.4.0 als zusammengewachsene Drillinge 
        in einem Bernstein-Zimmer-Ambiente posiert) ausfindig zu machen, ist bereits 
        ein ästhetischer Genuss. Wenn man dazu noch solch warm klingende 
        Analog-Synthsizer-Impressionen wie das an Cluster und frühe Kraftwerk 
        erinnernde Instrumental Magischer Morgen oder das Residents-Fingerprince-artige 
        Klavierstück Etwas Geld (bei dem zufällig mit dem 
        Keyboard aufgenommene Radiowellen ähnlich Faszinierendes zutage brachten 
        wie auf Holger Czukays Movies-Album) hört, ist das reduziert-multimediale 
        Glück des Rezipienten in seinen eigenen vier Wänden perfekt.
 
 Wie sich nun der performativ-visuelle Aspekt des Plans V.4.0 vor Publikum 
        darstellen wird, darauf darf man mit begründet hohen Erwartungen 
        gespannt sein. Führte diese Seite des Plans immerhin dazu, dass das 
        Trio dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen immer wieder ein Kulturbeitrag 
        wert gewesen ist und es 1985 auf ihrer ersten Japan-Tour wie auf Händen 
        getragen wurde. Wir werden berichten!
 
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