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Sea Of Tranquility: LANDED

  • 15 song, 61 min. CD. Lyric booklet included (text mostly English, smidge of German & French).
  • Duo: A sonic scientist with ultra modern laboratory facilities and his partner, a soprano of INCREDIBLY pure & transparent voice. Confession: the first few times I listened to this, I felt too short, as if the disc were aimed well over my head and I wasn't tall enough to connect with it. Kept waiting for it to drop its trousers,so to speak. Many further listenings and getting more comfortable with it, little by little. Esoteric ... like the soundtrack for a surreal fever dream or even for an arty neo-post-impressionist foreign film that I can't make heads or tails of. Unbelievably scary clean sound quality: excellent string section (violin family), endless variety of rich synth tones, microtweakable beat box, great subcontrabass sounds ... the soprano vocalist, already note-perfect & blemish-free, is then recorded using some ungodly expensive microphone (while she sings, one can practically hear exactly where all of her teeth are) ... all of these layers upon layers perfectly placed in the stereo field. Sorta holographic ... alien & futuristic. Music full of complexity & nuance; vocals detached & floating. Besides "Elizabeth & Robin" (the songiest song and my personal fave), highlights include: "Guns", real nice tune, very extracorporeal, deliberately distorted vocal is cool; "Tiger Song", great lyric imagery, nifty tweaked song & songform... 0hrwurm; "Engellied", sorta a capella, multi-tracked & multi-lingual vocals, playful & haunting; "Big Miqhty Drum Cake". tasty instrumental with great string section and orchestral percussion; "The Perpetual Cycles of Dr. Blei", great groove, skankydoodle piano, interesting lyrics; plus lots of other stuff (including a very nicely orchestrated version of Robin O'Brien's "Change"). Hey, don't let my puzzled expression and this pile of dandruff surrounding me deter you from investigating this fascinating artistic feat. Exceedingly highly recommended.
  • Kevyn Dymond, Anemic Billfold No.4, 11/96


  • Sea Of Tranquility "Landed" (Weißer Herbst/EFA)
  • Die musikalische Kost ist nicht leicht, das Hörerlebnis betörend und sperrig, ähnlich wie vor einigen Jahren bei His Name Is Alive, allerdings weniger komprimiert, mit der Muße, eine Komposition auszureizen. Das in Berlin residierende Projekt Sea Of Tranquility war bereits vom Sampler "Hymne an die Poesie" ein Begriff, doch das dort enthaltene, sehr ätherische, sehr süßliche "Engellied" ist nur eine Facette des Schaffens - und nicht einmal eine repräsentative. "Landed" betreibt unter dem Strich mit Erfolg eine Wiederbelebung jener ruhigen, betäubenden Atmosphäre, die in grauer Vorzeit die Erzeugnisse des 4AD-Labels auszeichnete. Songs wie"Change" oder auch "Elisabeth & Robin" knüpfen so frappant an This Mortal Coil an. Die CD verdient die gelassene Konzentration, mit der sie selbst aufwartet, vom schrägen, instrumentalen Titelstück zum Auftakt, über Passagen voller Experimentierfreude (mit Anklängen an Tuxedomoon) bis hin zu den sich gegen Ende häufenden Songs voller emotionalem Engagement. Berti Vogts würde wohl sagen:"Darüber wird noch zu reden sein." Und er hätte- ausnahmsweise- recht.

  • Peter Boßdort, ZILLO 10/95


    Artikel, ZILLO

  • Es ist selten, daß mich eine Gruppe zu reflektierenden Gedanken über Musik und Musikgeschichte anregt. Das Berliner Duo Sea Of Tranquility hat das geschafft. Mit seinem Debütalbum "Landed" (Weißer Herbst / EFA) vermengt es nahezu alle Stile des Undergrounds der 80er und 90er auf so geniale und einzigartige Weise, daß man hier erstmals die Idee begründen kann, Darkwave, Electro, postmoderne Neoklassizismus, Industrial und all deren Untersparten seien nicht Zeichen und Materialisation fortschreitender Zersplitterung akustischer Kunst, sondern als Stile einer Gattung zu bewerten. Nennen wir sie mal Postmoderne Subkultur.
  • Eine Musikgattung, so meine These, ist erst dann etabliert, wenn sie ihre Avantgarde hervorgebracht hat. Avantgarde zeichnet sich u.a. dadurch aus, daß sie bestimmte Phänomene reflektiert. Und reflektieren, also über etwas nachsinnen oder daraus etwas erschaffen, kann man nur, wenn man das, was reflektiert wird, als Einheit betrachtet. Insofern hilft die Avantgarde, Einheiten zu erschaffen. Was vorher als Verschiedenes betrachtet werden mußte, kann nun -- und nicht erst im nachhinein, wie es oft bei der Klassifizierung von Stilen geschieht -- als verschiedene Ausformungen einer Bewegung angesehen werden.
  • Das ist sicher noch nicht gründlich durchdacht und vielleicht auch nur für mich eine besondere Erkenntnis. Sie soll hier auch gar nicht weiter vertieft werden, denn schließlich geht es um die Vorstellung einer Band. Aber ich finde, wenn Musiker mit ihre Musik zu solchen Überlegungen anregen, ist dies mitteilenswert. Selten genug passiert so etwas, und vielleicht geht es ja dem einen oder anderen ebenso, wenn er "Landed" auflegt. Doch nun zu Sea Of Tranquility.
    Avantgardisten der postmodernen Subkultur sind für mich, um nur einige zu nennen, Gruppen wie Calva Y Nada, Hum Projimo und Mynox Layh. Wer deren Musik kennt, weiß, was ich meine. Hier werden Stile dadurch reflektiert, daß sie in ungewöhnliche Klang-Kontexte gestellt oder auf neue Art und Weise zusammengebracht werden. Sampler und digitale Elektronik bieten hier eine technische Erleichterung, die zum Zitieren und Verfremden von Zitaten geradezu einladen.
  • Sea Of Tranquility steht mit eigener Individualität fest in dieser Reihe, hebt sich aber durch bestimmte Dinge zugleich weit von hier genannten Gruppen ab. Da ist zum einen der hervorragende, klassisch ausgebildete Gesang der Amerikanerin Laura Carleton, der, vielschichtig mehrstimmig arrangiert, festes Strukturelement der Musik von Sea Of Tranquility ist. (O-Ton Laura, die mit 17 einen 9-jährigen Gesangsunterricht begann: "Ich wollte schon immer ernsthaft singen. Schon als kleines Kind habe ich meiner Mutter verraten, daß ich eine geheime Gabe habe.") Zum anderen zitiert Musiker Achim Treu nicht so sehr Mithilfe von Samplings, sondern durch das eigene Spiel, das sich, obwohl nur autodidaktisch angeeignet und nicht unbedingt virtuos, harmonisch als äußerst versiert und komplex erweist.
  • Dennochist die Musik des Duos zu jedem Zeitpunkt zugänglich und anziehend -- womit es wieder in die oben genannte Reihe paßt, denn alle dort genannten Bands haben ihre elitären, anstrengenden, kodierten Klangkosmen inzwischen in Richtung (fast) unbeschwerter Hörbarkeit weiterentwickelt.
  • Der Opener und Titlesong könnte mit seinen verschleppenden Drumpatterns, sirenenhaften Klangsplittern, Räume öffnenden Vibraphon-Akzenten und befremdlich anmutenden Streichermotiven einen Soundtrack zu einem surrealistischen Krimi abgeben, das mehrsprachige "Engellied" kombiniert sakralen Chorgesang mit infantilen Voices, mittelalterlicher Rhythmik und traumartiger Atmosphäre. "As Thick As Fingers" überführt surrealistische Soundschnipsel in einen herrlich elegischen Electrowave-Song, und der "Big Mighty Drum Cake" mit seinen vertrackt betonten Streicher-Stakkati könnte fast ein Exzerpt aus irgendeinem Strawinski- oder Varese-Werk sein.
  • Kein Wunder, denn Achim nennt diesen wie auch Bartok und Hindemith als klassische Vorbilder. In seinen Ausflügen auf dem Klavier (u.a. zu Beginn von "The perpetual Cycles Of Dr. Blei") kommt dies besonders zum Ausdruck. Auch seine Vorliebe für Erik Satie. Achim: "Als kleiner Junge habe ich immer heimlich unter dem Kopfkissen Radio gehört. Und da kam spät in der Nacht eine Sendung mit Klaviermusikmusik, die mich total fasziniert hat. Es war Erik Satie."
  • Songwriterische- und Waveelemente, aber auch verträumtes und neofolkiges kommen mehr von Laura ins spiel, die nicht nur singt, sondern auch musikalische Ideen , auf einem Keyboard, in Sea Of Tranquility einbringt: "Ich liebte von Anfang an Wave und Darkwave aber auch Kate Bush und Joni Mitchell."
  • Die zweite Hälfte der CD (ab "Destination") widmet sich eher diesem Genre und ist nicht weniger bezaubernd als die abstrakteren und eklektizistischen ersten Stücke. "Change" komprimiert diese Einflüsse zu einem wirklichen Klasse-Song, der hier allen als Anspieltip ans Herz gelegt sei. Auf die Frage, ob sie bei ihrer Musik besonders darauf achten, bei aller Vielseitigkeit und Fremdheit nachvollziehbar zu bleiben, antwortet Laura:"Nein, eigentlich nicht. Wir machen einfach das, was uns Freude bereitet. Dabei kommt uns natürlich zu gute, daß die Leute heute offener für Stilbrüche und krassere Klänge geworden sind. So etwas wie Björk zum Beispiel wäre vor einigen Jahren in der Popwelt nicht denkbar gewesen."
  • Und Achim ergänzt: "Musik zu erschaffen, soll Spaß machen. Das erfordert einen gewissen Anspruch oder ein gewisses Niveau. Bei manchen Gruppen oder Künstlern ist sie dann leider kaum noch hörbar. Ich könnte beide Arten von Musik machen, aber ich will es niemandem zumuten, unhörbares anzuhören, nur weil es mir Spaß gemacht hat, es zu kreieren."
  • Und so sind Sea Of Tranquility (benannt übrigens nach dem Meer der Ruhe auf dem Mond - deshalb auch "Landed" als Albumtitel) in einer glücklichen Lage: Sie können kompromißlos ihren musikalischen Anspruch ausleben, ohne das wir uns als Rezipienten dabei verrenken müssen.
  • Avantgarde zum Anfassen, für den unbeschwerten Hausgebrauch. Und hier schließt sich der Kreis. Die Avantgarde der populären Subkultur ist selber populär. Macht weiter so, ihr beiden!

    Joe Asmodo, ZILLO 10.95

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